Sportgeschichte(n)

Auszug aus der Festschrift "Die Entwicklung des Wintersports im Thüringer Walde" von Max Ehrhardt aus dem Jahr 1908. Verfasst wurde diese zum 24. Geburtstage Sr. königlichen Hoheit des Herzogs Carl Eduard von Sachen-Coburg und Gotha am 19. Juli 1908.

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Die Sportfeste (Rennen) des Thüringer Wintersportverbandes

All denen, die den Wintersport ernst nehmen und bemüht sind, ihre Leistungen zu vervollkommnen, wird seitens des Verbandes Gelegenheit gegeben, solches auf dem großen Wintersportfest zu betätigen, welches nach den Satzungen alljährlich einmal in Oberhof abgehalten werden soll und dessen reichhaltiges Programm sich auf drei bis vier Tage verteilt. Es gilt dort zu zeigen, bis zu welchem Grade der Vervollkommnung der einzelne gelangt ist, der eine mißt sich mit dem anderen und wird dadurch in die Lage versetzt, seine eigene Fertigkeit beurteilen zu können. Schnell findet er die Punkte, in denen er den anderen Wetteifernden gegenüber noch im Rückstande ist, heraus, unwillkürlich wird er sich bemühen, bis zum nächsten Sportfest seinen Rückstand durch eisernen Fleiß zu beseitigen, zumal wenn er auf geradezu bedeutende Leistungen blickt. Alles dieses spornt an. Diejenigen aber, die in mustergültiger Weise zeigen, bis zu welcher Vollendung es menschliche Fähigkeit, Kraft und Energie im Wintersport bringen kann, kehren preisgekrönt zurück, die haben das Bewußtsein in sich, so manchen stillschweigend bekehrt und dahin belehrt zu haben, daß er noch viel zu lernen hat.

In dessen auch an dem Schaulustigen, stets zahlreich anwesenden Publikum gehen diese wunderbaren Kraftleistungen nicht ohne Wirkung vorüber; ein großer Teil bekommt Lust, selbst Jünger des Sportes zu werden; es gewinnt somit bei jedem Fest der Wintersport frischen Zuwachs. Es ist dieses eigentlich selbstverständlich: unter den zahlreichen Rennen ist jede Sportart vertreten und der Zuschauer braucht sich zunächst nur diejenige zur persönlichen Ausübung herauszusuchen, die ihm für seine Verhältnisse am geeignetsten erscheinen muß. – Es liegt in der Natur der Sache, daß sich die mündliche Unterhaltung an solchen Festen von früh bis spät lebendig um den Sport dreht; es findet ein lehrreicher und zugleich fesselnder Meinungsaustausch darüber statt; der erfahrene Sportsman wird dem fragenden, noch etwas schwachen Sportsjünger oder dem Neulinge sehr gern Rede und Antwort stehen.

Ist die saure Tagesarbeit endlich vollbracht, versammeln sich die Festgäste in den schön und sinnig geschmückten Sälen, die Bekannten begrüßen sich und feiern bei Kommers, Festmahl und Tanz ein frohes Wiedersehen. In einem Zimmer des früheren, bei alt und jung wohlbekannten Domänengasthofs, an dessen Stelle sich jetzt das neu gebaute stattliche Herzogliche Schloßhotel zur Zierde Oberhofs erhebt, sind die kostbaren Preise für die Rennen in stattlicher Zahl aufgestellt und verursachen als Gegenstände der Besichtigung eine große Anziehungskraft. Je näher die feierliche Stunde der Preisverleihung heranrückt, desto höher schlagen die Wogen der Begeisterung; alle, ja sogar bisherige Gegner des Wintersports, werden mit fortgerissen und stimmen ein in die allgemeine Fröhlichkeit. In die Heimat zurückgekehrt, geben sie freudigen Herzens Kunde, von ihren Erlebnissen, und manche ihrer Zuhörer fassen schon jetzt den Plan, das nächste Verbands-Wintersportfest zu besuchen.

1. Sportfest, 1906

Das erste Sportfest veranstaltete der Verband am 3., 4. und 5. Februar 1906. Ausgeschrieben wurden die internationalen Meisterschaften für Thüringen im Schilauf und Rodeln, das internationale Rennsteig-Rennen, das Verbands-Rennen, das Militär-Rennen, je ein Damen-, Jünglings- und Kinder-Rennen, ein internationales Bobsleigh-Rennen, den Schluß bildete eine Wolfsjagd. Es beteiligten sich an den 15 Rennen 156 Teilnehmer, darunter mehrere Ausländer, vornehmlich 8 Norweger. An geselligen Veranstaltungen bot das Fest einen Kommers, ein Festessen, eine Thüringer Kirmse, ein Jagdfrühstück und eine Schlittenfahrt zur Schmücke. Der Festort Oberhof zeigte festliches Gepränge, ernste und heitere Schneegruppen, von weimarischen Künstlern hergestellt, zierten die Straßen. Da es sich um ein in Thüringen noch niemals dagewesenes Ereignis handelte, fehlte es weder bei den Mitgliedern des Verbands noch bei den fernstehenden vorsichtiger Zurückhaltung, der sich auch die Behörden trotz manchem Entgegenkommen nicht ganz zu entziehen mochten. Außerdem trugen die während des ganzen vorjährigen Winters (1904/1905) in Thüringen ungünstigen Schneeverhältnisse dazu bei, das Mißtrauen hinsichtlich des Gelingens des Festes zu stärken. Unter diesen Umständen boten sich der Festleitung nur wenige Hilfskräfte an, aber unverdrossen und im festen Vertrauen auf einen großen Erfolg hielt sie unerschütterlich an den aufgestellten Programm und dem festgesetzten Zeitpunkt. Die Zuverlässigkeit des Winters in Oberhof als dem Kamme des Thüringer Waldes erwies sich als die sicherste Grundbedingung für die Abhaltung und das Gelingen eines internationalen Wintersportfestes. Während unten in den Tälern und Ebenen schon Veilchen und Schneeglöckchen blühten und der Oberharzer Schiklub sein Wintersportfest wegen Mangels an Schnee in letzter Stunde absagen mußte, konnte dasselbe hier bei sehr reichlichen und günstigen Schneeverhältnissen stattfinden.

Der Erfolg war ein glänzender. In erster Linie war dieser dem erhabenen Protektor, Sr. königl. Hoheit dem regierenden Herzog Carl Eduard von Sachsen Coburg und Gotha und höchstseiner Frau Gemahlin zu verdanken. An beiden Festtagen beehrten die durchlauchtigsten Herrschaften nebst Gefolge die Veranstaltung mit Ihrer Gegenwart und sprachen sich huldvollst über die gebotenen Leistungen des Verbandes aus. Sodann waren es Norwegens schigewandte Söhne, die zu dem großen Erfolge des Festes beitrugen und es vor allem sportlich auf eine achtunggebietende Höhe hoben. Eine ganz besondere Freude aber war es für alle Anhänger des Verbandes, daß trotz des kurzen Bestehens aus seinen eigenen Reihen sehr anerkennenswerte Leistungen dargeboten wurden, die nicht zum wenigsten eine Folge des vorausgegangenen Schikurse waren. Zella-Mehlis vermochte im Verbandsrennen den Wanderpreis an seine Schier zu heften, der von Neuhaus a. R. hart bestritten wurde, während Brotterode mit seinem hoffnungsvollsten Schiläufer im Rennsteig-Rennen (27,5 km) eine Leistung aufwies, die denen der norwegischen Sportsfreunde nur wenig nachstand. Berechtigten schon diese Ergebnisse zu großen Hoffnungen, so war es ein noch herzerquickender Anblick, zu sehen, mit welcher Sicherheit und Kühnheit sich unsere Jugend auf den Schiern bewegte und Zeugnis ablegte, auch von ihrem ernsten Streben nach körperlicher Gewandtheit, Mut und stählerner Gesundheit. Besonderes Interesse erregte das Militär-Rennen, das von vier Unteroffizieren des 6. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 95 in anerkennenswerter Weise ausgeführt wurde; ferner brachten die Rodel-Rennen, vor allem aber das Bobsleigh-Rennen die lebhafteste Spannung. Es war dies das erste Bobsleigh-Rennen auf einer deutschen Bahn, mit ihm wurde erst jetzt in Deutschland ein Sport eingeführt, der in der Schweiz schon seit Jahren zahlreiche und eifrige Anhänger gefunden hat. Auch die – oben bereits erwähnten – geselligen Veranstaltungen waren zahlreich besucht, verliefen in fröhlicher, ungetrübter Stimmung und boten auch den nicht sportlich Beteiligten reichliche Abwechselung. Das Fest hatte aus Thüringer und weit über dessen Grenzen hinaus eine gewaltige Anziehungskraft ausgeübt: gegen 4000 Personen waren herbeigeströmt, offizielle Behörden hatten ihre Vertreter, die dem Sport und der Illustration huldigende Presse ihre berufensten Kenner und Zeichner gesandt.

Freilich fehlte es auch nicht an Unzufriedenen und Nörglern, die „auf Anhieb“ gleich Vollkommenes zu verlangen pflegten; - indessen, damit mußte man von vornherein rechnen. Die Festleitung selbst war sich in erster Linie dessen bewußt, daß an dieser ersten Veranstaltung manches auszustellen sein würde, aber bei dem Mangel an geeigneten und fleißigen Hilfskräften und bei dem im allgemeinen etwas weitherzigen Vertrauen war trotz übermäßiger Arbeit beim besten Willen nicht mehr zu erreichen. Der erzielte Erfolg und die in reichstem Maße gesammelten Erfahrungen waren für die Mitglieder des Hauptvorstandes ein Ansporn, in Zukunft die begangenen Fehler möglichst auszuwetzen.

2. Sportfest, 1907

Das zweite Sportfest des Verbandes fand vom 1. bis 4. Februar 1907 statt, wiederum verherrlicht durch die Anwesenheit des Hohen Protektors und höchstseiner Gemahlin, sowie ausgezeichnet durch die Gegenwart Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen Friedrich Karl und Friedrich Sigismund von Preußen und beehrt durch die Teilnahme von Vertretern der hohen Staatsbehörden, nahm es bei herrlichem Winterwetter einen großartigen Verlauf. Durch das Entgegenkommen der Königlichen Eisenbahndirektion Erfurt sorgten Extrazüge für eine bequeme und pünktliche Beförderung des in großen Massen erschienenen Publikums. Die Nennungslisten aller Rennen wiesen viel zahlreichere Meldungen als wie im vorigen Jahre auf, die sportliche Beteiligung und die Leistungen waren sehr erfreulich, auch diese ergaben wesentliche Fortschritte. Den Wanderpreis im Verbandsrennen auf Schiern vermochte abermals die Ortsgruppe Zella zu erringen. Ferner war dem Verbande die hohe Ehre zuteil geworden, daß es Se. Kaiserl. Hoheit der Kronprinz des Deutsche Reiches und von Preußen einen goldenen Pokal als Wanderpreis für das internationale Bobsleigh-Rennen um die Meisterschaft von Deutschland gestiftet hatte; sein glücklicher Gewinner war der Bobsleigh „Deutscher Michel“. – Zum ersten Male wurde auch ein Rennen auf Schiern mit vorgespanntem Pferde: Schijöring, ausgetragen, welches drei Teilnehmer aufwies und viel Interesse weckte.

3. Sportfest, 1908

Das dritte Verbandsfest fiel auf die Tage vom 31. Januar bis 3. Februar 1908. Die Rennen fanden zum ersten Male auf den in nächster Nähe Oberhofs erbauten Bahnen statt, die sich mit Ausnahme einiger noch zu beseitigender kleiner Mängel aufs glänzendste bewährt haben. Der Hohe Protektor Herzog Carl Eduard beehrte von neuem das Fest mit Höchstseiner Anwesenheit. Er erschien mit großem Gefolge. Der Andrang des Publikums, speziell zum neuen Sprunghügel, war gewaltig. Die jüngst erbauten Tribünen waren fast gefüllt. Es waren 15 Rennen vorgesehen, an denen sich 297 Personen (beim ersten Verbandsfest 156) beteiligten. Das Rennprogramm enthielt Neuerungen ein Hindernisrennen auf Schiern für Forstleute und ein Schlittenkorso mit Schönheitspreisen; [...]

Den Wanderpreis im Verbandsrennen auf Schiern erkämpfte sich die Ortsgruppe Ernstthal. Den von Sr. Kaiserl. Hoheit dem Kronprinzen gestifteten Pokal als Wanderpreis im Bobsleighfahren erstritt der Bobsleigh „Langer Tom“.