Oberhofer WM-Strecken: Sven Fischer erklärt die Besonderheiten

Ein kniffliger Schießstand, ein knackiger Birxsteig und euphorisierte Fans im Stadion und an der Strecke: Die Strecken in der ARENA am Rennsteig gelten im Biathlonzirkus als anspruchsvoll. „Schon bei der Bewerbung um die WM hat das Team damit geworben, dass die Strecke sehr selektiv ist. Wer hier Weltmeisterin oder Weltmeister werden möchte, muss mit allen Wassern gewaschen sein“, sagt der Ex-Biathlet und Experte Sven Fischer. Hier erklärt der 51-Jährige die Besonderheiten der einzelnen Abschnitte.

Start:
Bei jedem Rennen werden die Zuschauer toben und die Sportler pushen. Nach einem flachen Stück mit starker Akustik laufen sie seit der Änderung des Streckenlayouts recht zügig links in eine kleine Abfahrt. Hier ist wieder Ruhe angesagt und der Athlet kommt bewusst im Rennen an.

Birxsteig:
Heißt es nun Birxstieg oder Birxsteig? Eine gute Eselsbrücke ist es, an den Steig zu denken, so wie der Rennsteig. Dieser Anstieg knackt richtig rein, hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer hier nicht ordentlich erwärmt ist, hat sofort eine Sauerstoffschuld und merkt es in der Lunge. Bei den Massen am Birxsteig, oft in Zehnerreihen, muss man sein Tempo finden. Am Ende ist der höchste Punkt der Strecke erreicht, dem eine Abfahrt folgt.

Hochwaldabfahrt:
Im Sprint der Männer, in den Einzelrennen und Massenstarts nehmen die Athleten nicht die IBU-Schneise, sondern fahren weiter gerade aus, wo sie in Richtung Frankfurter Kreuz und Kulle-Kurve bzw. Kulle-U beim Einzel der Männer länger regenerieren können. Hier sind kaum Fans, nur absolute Insighter. Es gibt wenig Ablenkung. Der Athlet ist für sich und muss sein Tempo finden, um vom Start bis zum Ziel ökonomisch zu laufen.

Brunnenweg:
Nach der Kulle-Kurve und einer Abfahrt geht’s zum Brunnenweg, wo einige Trainer stehen werden. Bis hier kann ich alle Techniken laufen und muss in den Abfahrten mit Alpin-Kenntnissen punkten. Als WM-Ort ist das interessant und selektiv.

IBU-Schneise:
Unter anderem in den Verfolgungen und den Staffeln geht es nach dem Birxsteig in die IBU-Schneise. Die langgezogene Rechtskurve ist ähnlich wie eine Bobbahn ausgebaut. Wenn die Strecke nicht eisig ist, erreicht man hier die höchste Geschwindigkeit auf der Strecke.

FIS-Schneise:
In der FIS-Schneise kommen die ersten Gedanken an das Schießen. Man hört und sieht die Massen, bevor es in eine Linkskurve Richtung Sägespänerunden geht. Mir gefällt hier die Symbolik. Biathlon und Langlauf sind wie Bruder und Schwester. Der Abschnitt verdeutlicht, dass in der Arena nicht nur Biathleten willkommen sind, sondern auch Langläufer und Kombinierer.

Sägespänerunden:
Um die Ski beim ersten Schnee des Jahres nicht zu zerkratzen, hat man früher auf der Rollerbahn Sägespäne verteilt, weil man auf ihr gut rutschen kann, wenn sie angefroren sind. Je nach Wettkampf gibt es drei Abschnitte, die recht flach sind.

Henkel-Schleife:
Damit die Athleten von der Sägespäne Richtung Schießstand nur gerade aus laufen, was auch für die Zuschauer etwas langweilig ist, wurde vor einigen Jahren mit der Henkelschleife ein weiterer knackiger Anstieg eingebaut, der nach Andrea Henkel-Burke benannt wurde. Als erfolgreiche Thüringer Athletin hat sie sich das mehr als verdient.

Stadion mit Schießstand:
Eine lange, flache Gerade führt zum Schießstand, zu 95 Prozent mit Gegenwind. Der Athlet kann das Gefühl haben, langsam zu sein oder gar zu stehen. Trotz der Euphorie der Fans auf den Rängen muss er in sich hineinhören. Für das Liegendschießen muss er das Pulsverhalten spüren. Für das Stehendschießen entscheidet die Oberschenkelmuskulatur und die Spannung im Körper. Der Schießstand ist wegen des Windes knifflig. Hier muss man zwischen Anschießen und Wettkampf wissen, wie sich die Windfahne verändert hat und wie ich am besten darauf reagiere.

Auf der letzten Runde des Wettkampfs geht es nicht zum Schießen, sondern zum Ziel. Es ist die fairste Zielgerade im gesamten Biathlon-Zirkus. Hier kann wenig taktisch gelaufen werden. Hier entscheiden die Fitness und die Kraft, die noch da ist.

Zuschauer:
Tausende Zuschauer füllen die Arena und säumen die Strecke. Insbesondere für junge Athleten ist das keine einfache Situation. Sie haben das Gefühl, allen gerecht werden zu müssen, weil ihnen alle auf die Finger schauen. Sowohl durch Erfolge als auch Misserfolge lernen sie, dass die Fans hinter ihnen stehen. Sie sind wie der zwölfte Mann im Fußball. Diese Erkenntnis kann ihnen Energie geben. 

Quelle: Susann Eberlein, Oberhofer Sport und Event GmbH